Tag 5 - Der Ritter

 

Von einem ihrer Träume geweckt, schlug Eva am nächste Morgen ihre Augen auf. Das Lager war noch ruhig, denn sie war scheinbar die Erste, die aufgewacht war, weswegen sie liegen blieb. Das Lagerfeuer war inzwischen komplett heruntergebrannt, doch sie die schwarzen Kohlen rauchten noch, als wäre das Feuer noch nicht lange erloschen. Die Nachtwache musste Feuerholz nachgelegt haben. Sie sah ihren Bruder ruhig liegen und auch ihre beiden Eltern schliefen aneinander gekuschelt noch friedlich. Sie legte sich hin und schaute in den Himmel, der sich langsam hellblau färbte und über den gerade ein Schwarm Krähen zog. Sie beobachtete den Himmel und hing ihren Gedanken hinterher, bis um sie herum Menschen aufwachten und hin und hergingen. Auch sie stand auf und lief ein paar der anderen Reisenden hinterher, die einen Bach gefunden hatten, in dem man sich Waschen konnte. Als sie sich das kühle Wasser ins Gesicht spritzte, wurde sie schlagartig wacher und sie stieg, nachdem sie sich zu Ende gewaschen hatte, erfrischt aus dem Bach. Doch plötzlich hörte sie von der anderen Seite des Baches und trotzdem nicht weit entfernt den Schrei einer Frau. Aus diesem Schrei entwickelten sich Hilferufe, in die nun auch ein Mann und ein Kind einstimmten. Sie blickte durch die eng beieinanderstehenden Bäume und erblickte eine Familie, die von fünf Räubern attackiert wurde. Der Vater hatte das Kind schützend auf den Arm genommen und die Mutter versuchte sich vor die beiden zu stellen, um sie zu schützen. Nichtsdestotrotz kamen die Räuber immer näher, stießen die Frau weg und rissen dem Mann den Geldbeutel vom Gürtel.

Doch da hörte Eva den Galopp eines Pferdes und ehe sie sich versah, ritt ein Mann auf die Räuber zu. Das Pferd war ein großer Warmblüter und sah aus, als wäre es edlen Geblüts. Der Mann auf dem Pferd trug ein Kettenhemd und darüber ein Hemd aus rotem Stoff, welches mit einer goldenen Schwalbe bestickt war. Seine Schultern waren mit eisernen Schulterplatten bedeckt und er trug eine lederne Hose. Er verpasste dem Räuber, der ihn als Einziger gehört hatte und deswegen auf ihn zugelaufen war, einen Hieb mit seinem Schwertknauf und dieser sank stöhnend zu Boden. Drei der Räuber ließen von der Familie ab und gingen zum Angriff über. Zwei der beiden zogen ebenfalls ein Schwert, während der dritte von ihnen einen Pfeil anlegte. Die drei Räuber teilten sich auf die Seiten des Ritters auf. Der Schütze links und die beiden Schwertschwinger auf der vorderen und rechten Seite. Der Bogenschütze zielte nun auf den Hals des Pferdes, um den Ritter zu Fall zu bringen, doch dieser durchschaute die Absicht des Schützen. Er zog die Zügel an, brachte sein Pferd damit zum langsamer werden und dieses bäumte sich auf. Der Schütze schoss seinen Pfeil los, doch er flog unverrichteter Dinge unter den Vorderbeinen des Pferdes entlang und bohrte sich stattdessen in das Bein des gegenüberstehenden Angreifers, der vor Schmerzen aufheulte. Das Pferd, das sich noch immer aufgebäumt hatte, ging auf den Hinterbeinen ein paar Schritte weiter. Als es seinen Oberkörper wieder senkte, stieß es den von vorne kommenden Ritter zu Boden, der stöhnend liegen blieb. Der Ritter verlor dabei jedoch sein Gleichgewicht und fiel aus dem Sattel. Er rappelte sich jedoch schnell wieder auf und ging auf den Bogenschützen zu. Den Bogen, der nun im Nahkampf völlig unnütz war, schmiss er von sich und rannte den Bach entlang. Der Ritter wollte ihm folgen, wurde dann aber zurückgehalten, als von dem Kind ein Schrei ausgestoßen wurde. Der Räuber, der als einziger noch nicht am Boden lag oder auf der Flucht war, hatte gerade den Vater mit seinem Kind weggestoßen und sein Schwert gezogen. Er ging auf den Ritter zu und holte schon im Anlaufen zu einem gewaltigen Hieb aus. Der Ritter konnte allerdings noch rechtzeitig sein Schwert hochreißen und parierte den Hieb. Dann ging der Ritter in einen Gegenangriff über und zielte auf die Hände des Räubers. Dieser konnte sich mit einem Sprung nach hinten aus dem Schlagradius bewegen und konnte sich schnell wieder sammeln. Die beiden Männer umkreisten sich, während sie jeweils die Stärken und Schwächen des Kontrahenten herauszufinden versuchten. Der Räuber wagte den ersten Schlag, doch das war ein Fehler. Der Ritter duckte sich unter dem Querschlag seines Angreifers und das brachte den Räuber aus dem Gleichgewicht. Ritter stürzte sich nach vorne und rammte dem Räuber den Ellbogen in den Rücken. Dieser fiel zu Boden. Der Ritter wirbelte herum und schlug noch während der Räuber fiel ihm mit der flachen Seite seines Schwertes das Schwert des Räubers aus der Hand. Es wirbelte durch die Luft und blieb dann schließlich mit der Spitze voran im weichen Waldboden stecken. Der Räuber drehte sich um und versuchte aufzustehen, aber der Ritter setzte ihm seine Lederstiefel auf die Brust und zeigte mit dem Schwert auf ihn. Der Räuber fiel enttäuscht zurück, als Eva auf einmal aus dem Augenwinkel sah, wie der Mann, auf den der Bogenschütze geschossen hatte, von hinten auf den Ritter zu humpelte. Eva nahm ohne zu zögern einen Stein vom Boden und warf ihn nach dem Humpelnden. Der Stein flog durch die Luft auf den Angreifer zu, doch verfehlte sein Ziel. Dennoch erzielte Eva damit einen Erfolg. Sowohl der Ritter als auch der Räuber drehten sich um. Der Ritter sorgte dafür, dass der Räuber, den er bis eben noch auf dem Boden fixiert hatte, auch am Boden blieb und schlug mit einer Drehung das Messer des Angreifers aus der Hand und schaltete auch ihn für eine kurze Weile aus. Er sah sich um und ging dann raschen Schrittes auf die Frau und ihren Mann zu, der noch immer beschützend das Kind im Arm hielt, welches, wie Eva nun feststellte, nicht einmal ein Jahr alt sein konnte. Der Ritter half dem Paar auf, eilte dann jedoch auf die vier Räuber zu, die alle noch bewusstlos auf dem Boden lagen. Er stieß einen Pfiff aus und sein Pferd kam gemächlich auf ihn zu getrottet. Doch nicht nur das Pferd kam herangetrottet, sondern auch die Mitreisenden von Eva, aufgeschreckt vom Kampflärm. Sie blieben außerhalb vom Kampfplatz stehen und schauten sich die vier Männer an, die sich noch immer bewusstlos auf dem Boden lagen. Phillipp beachtete die neuen Zuschauer nicht, sondern streichelte den Nasenrücken und die Nüstern seines Pferdes und flüsterte ihm beruhigende Worte ins Ohr. Er ging dann zu den Satteltaschen, die auf der linken Seite des Pferdes hingen, und zog vier Stricke aus den Ledertaschen, mit denen er nach und nach alle vier Räuber fesselte. Als er seine Arbeit gewissenhaft erledigt hatte, ging er zu der Familie, zu der sich Eva inzwischen gesellt hatte. Er fing an, mit einer angenehmen dunklen Stimme zu reden: „Seid gegrüßt. Mein Name ist Philipp. Ist jemand von euch verletzt?“ Die Frau und der Mann verneinten, doch der Ritter sah, dass der Mann sich den Arm hielt. Als der Ritter, dessen Name Phillip war, dies sah, ging er auf ihn zu und verlangte, dass der Mann ihm seinen Arm zeigte. Auf dem Arm war ein langer Schnitt, doch er schien nicht tief zu sein, denn er blutete nicht stark. Trotzdem holte der Mann ohne ein Wort Verbandszeug und einige Kräuter aus den Satteltaschen und verband dem Mann den Arm. Währenddessen sprach er: „Es tut mir leid, dass euch diese Räuber überfallen haben. Mein König versucht zwar ihnen Herr zu werden, doch es tauchen immer mehr Raubritter auf. Wir Ritter des Königs können nicht alle aufspüren. Dieser Mann hier“, sagte er und zeigte auf den Mann, mit dem er sich zuletzt duelliert hatte, „ist Götz von Eisenhand. Er bereitet uns schon seit geraumer Zeit Probleme.“ Dann wandte er sich an Eva, hockte sich so hin, dass sie auf einer Höhe waren und dankte ihr. Dann konnten sich die anderen Reisenden nicht mehr zurückhalten und kamen auf den Ritter zu, um ihm Fragen zu stellen. Dieser beantwortete sie knapp und präzise und blieb doch die ganze Zeit ausgesprochen höflich. Fasziniert beobachtete Eva ihn und wie er sich elegant bewegte. Als sich einer der Raubritter zu bewegen begann, löste sich der Ritter jedoch von dem Menschenpulk, der sich um ihn gebildet. Er bat drei Männer aus dem Pulk, die Angreifer mit ihm zusammen wieder auf den Weg zu bringen.

Sie trafen wieder im Lager ein und alle redeten aufgeregt über den Vorfall, während sie das Lager abbauten. Nachdem sie damit fertig waren, machten sie sich auf den Weg und trafen auf den Ritter, der an einer Kreuzung auf die wartete. Er sagte: „Ich werde diese Verbrecher hier“, wobei er auf die vier Räuber, die auf einem Karren lagen, vor den ein zweites Pferd gespannt war, „nach Leasberg bringen und wollte auf all jene warten, die auch nach Leasberg wollen. Wir befinden uns an der Kreuzung, an der sich die Wege nach Leasberg und Ginsterbusch teilen. Der Weg nach Ginsterbusch ist sicher. Wir haben ihn diese Woche… gereinigt. Der Weg nach Leasberg könnte aber noch einige Überraschungen enthalten. Doch diese Überraschungen werden es nicht wagen, euch anzugreifen, wenn ich euch begleite.“ Eva und ihre Familie gingen zum Ritter, doch nicht ohne sich vorher von ihren neuen Freunden Aramis und Cassandra zu verabschieden. Eva war froh über die Gelegenheit, sich noch weiter mit dem Ritter unterhalten zu können und ging deswegen neben dem Ritter her und fragte ihn so lange Löcher in den Bauch, bis dieser von seinem Pferd abstieg, um ihre Fragen besser beantworten zu können. Sie erfuhr viel von dem Ritter. Er erzählte ihr, dass man Ritter schon seit Jahrhunderten in Schlachten einsetzte und dass Ritter ihrem Herrn treu ergeben sein mussten. Er erzählte noch weiter von seiner Ausbildung und wie er mit sieben Jahren zum Pagen eines Freundes der Familie wurde. Als Page hatte er seinem Herrn gedient und er war im Schreiben, Lesen, Schwimmen, Reiten und Faustkampf ausgebildet worden. Er erzählte gerade von seiner Zeit als Knappe, in der er dann im Schwertkampf und im Bogenschießen ausgebildet wurde, als sie eine Hügelkuppe überquerten und Leasberg erblickten. Auf einem großen Hügel stand die Burg, von der man vom Weiten vor allem die hohen Türme der inneren Burg und der Kathedrale von Leasberg sehen konnte. Hinter den Mauern stieg Rauch aus den Schornsteinen auf und unter den Mauern breiteten sich Häuser und Höfe aus. Johannes sprang neben Eva auf und ab, denn er hatte noch nie eine Ansiedlung von Menschen so gewaltiger Ausmaße gesehen. Sie stiegen den Hügel hinab und als sie in der ersten großen Straße ankamen, verabschiedete sich Phillipp von ihnen. Sie dankten ihm für die Gesellschaft und das sichere Geleit und dann machte er sich mit seinen Gefangenen auf den Weg zur Burg. Doch Evas Eltern hatten andere Pläne. Sie kamen in der Unterkunft Zum goldenen Ross unter und nachdem ihr Vater ihr Gepäck und den Karren abgestellt hatte, gingen sie in den Wirtsraum. Der Raum war gemütlich ausgeleuchtet und sie saßen am Rand des Raums an einem Holztisch. Die Bedienung brachte Bier für die Eltern und Kinder und das Gericht des Abends. Es gab einen Mönchskuchen, der allen ausgezeichnet schmeckte. Satt und nicht mehr durstig unterhielten sie sich alle über die Geschehnisse des Tages und ihr Vater und ihre Mutter lobten sie für ihren Mut, als sie die Geschichte ihres Steinwurfs erzählte. Müde und zufrieden machten sich die Kinder dann auf den Weg in ihr Zimmer und schliefen schon schnell daraufhin ein.

Tag 5 - Der Mönchskuchen

Anbei findet ihr ein Rezept für einen Mönchskuchen, wie ihn Eva und Johannes gegessen haben. Die Idee und das Bild kommen von www.kochbar.de