Tag 2 - Der Schmiedegeselle

 

Als Eva am nächsten Morgen aufwachte, war das Feuer schon heruntergebrannt. Trotzdem war ihr nicht kalt, denn die Sonne schien schon auf sie und legte über die Welt einen goldenen Schleier. Johannes und ihre Eltern schliefen noch und so entschied sich Eva, noch ein wenig weiter liegen zu bleiben, um nicht die anderen auf zu wecken. Sie freute sich schon auf den heutigen Tag, denn der Himmel war klar und es war warm. Es roch noch immer nach der Frische, die der Morgentau auf der Wiese hinterlassen hatte, auf der sie übernachtet hatte. Die friedliche Stimmung um sie herum machte sie schläfrig und so dämmerte sie wieder weg, bis sie plötzlich von etwas attackiert wurde und sie schreiend aus dem Schlaf erwachte. Was sie sich bisher als Räuber oder Wildschwein vorgestellt hatte, entpuppte sich als ihr Bruder, der rief: „Aufstehen! Bruder Jakob, hörst du nicht die Glocken“, woraufhin er ihr leicht auf den Kopf haute und passend zu jedem Schlag laut „Ding-Dang-Dong!“ rief. Eva musste lachen und schob ihren Bruder weg, bevor er auf die Idee kam, sie noch auf irgendeine andere Art zu wecken. Sie begrüßte ihre Eltern und ging dann zu einem nahe gelegenen Bach, um sich zu waschen. Als sie zurückkam, half sie ihren Eltern, das Frühstück zuzubereiten und verschlang dann mit großem Appetit ihre Portion geröstetes Brot. Nachdem auch Johannes aufgegessen hatte, bauten sie ihr Nachtlager ab und machten sich auf den Weg. Johannes sprang die ganze Zeit herum und freute sich über jedes Tier, das er fand, und dachte sich Geschichten zu ihnen aus. Zur Mittagszeit, als sie gerade an einem großen Hügel vorbeiliefen, wurde er jedoch müde und legte sich auf den Karren. Eva hingegen genoss die Wanderung sehr und wäre am liebsten weitermarschiert, bis sie Leasberg erreicht hätten. Doch als die Mittagszeit schon einige Zeit vorüber war, erreichten sie ein weiteres Dorf. Das Dorf war etwas größer als Kändelmar und als Johannes eine Gruppe anderer Jungen sah, flitzte er direkt auf sie zu, noch ehe sein Vater ihn aufhalten konnte. Ihr Vater schüttelte den Kopf und murmelte etwas in seinen Bart. Doch dann blickte er auf und zog freudig die Augenbrauen hoch. Er rief: „Friedemann!“, und winkte einem Bauern zu, der gerade versuchte, ein störrisches Schwein hinter sich herzuziehen. Der Bauer schaute auf und schien ebenfalls erfreut Evas Vater zu sehen. Er kam auf die Drei zu und umarmte Evas Vater erfreut. „Herrmann“, sagte er, „ich habe so lange nichts mehr von dir gehört, alter Freund!“ Evas Vater nickte und bestätigte: „Es ist auch lange her, dass wir diese Route wählen können, ohne dass wir Angst haben müssen, zwischen die Fronten zweier Armeen zu gelangen. Aber jetzt sind wir hier und ich freue mich, dass wir dich hier antreffen.“ Da wandte sich Friedemann um und begrüßte auch Eva und ihre Mutter: „Eva, seit du das letzte Mal hier warst, bist du so sehr gewachsen. Kaum zu glauben, wie groß du geworden bist. Wo ist denn dein Bruder? Als er das letzte Mal hier war, hat er gerade erst gelernt, wie man läuft und ist uns die ganze Zeit abgehauen.“ „Der spielt mit den Jungs da vorne“, sagte Evas Mutter und zeigte auf eine Gruppe Jungs, die gerade eine Runde Verstecken anfing. Dann fingen die Erwachsenen ein Gespräch an, und Eva wurde davon schnell langweilig und so betrachtete sie das Leben in dem Dorf, dass nur wenig anders von dem in Kändelmar war und doch geheimnisvoll und neu schien. Menschen zankten sich um Preise, in der Ferne hörte man eine Mühle mahlen und dass Geschrei der Jungen, mit denen sich Johannes schnell angefreundet hatte, hallte über den Platz im Zentrum. Ihr Blick blieb an einer Frau hängen, die sich mit einem breitschultrigen jungen Mann unterhielt. Der Mann hatte eine Schürze an, Rußflecken im Gesicht und hatte sich betont lässig einen schweren Hammer über die Schulter gelegt. Eva erkannte an seinem Aussehen, dass er Schmied war, doch er war so jung, dass er höchstwahrscheinlich erst ein Geselle war. Der junge Mann und die junge Frau schauten auf einmal in ihre Richtung und Eva senkte schnell den Blick.

Doch ihre Mutter lenkte sie schnell ab, indem sie sagte: „Such doch bitte mal deinen Bruder. Friedemann hat uns eingeladen, heute Nacht bei ihm zu bleiben und das Angebot nehmen wir natürlich gerne an. Dein Vater und ich müssen noch schnell etwas besorgen. Wir treffen uns in etwa einer Stunde hier.“ Dann schob sie neckend nach: „Es sei denn du möchtest lieber draußen schlafen… In dem Fall kriegst du gerne das Zelt und die Decken. Aber dein Vater und ich freuen uns, wenn wir ein Dach über dem Kopf haben.“ Eva ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie mochte es zwar gerne, draußen zu schlafen, aber genau wie ihre Mutter bevorzugte sie es doch, vier feste Wände um sich zu haben, und so machte sie sich schnell daran, ihren Bruder zu finden. Sie hatte gesehen, dass er beim Versteck spielen in Richtung der Schmiede gegangen war, weswegen sie sich auch dorthin bewegte. Sie rief den Namen ihres Bruders und wartete kurz auf eine Antwort und als sie keine erhielt, versuchte sie es erneut. Als sie wieder keine Antwort erhielt, ging sie in den schmalen Zwischenraum, der zwischen der Schmiede und dem Nachbarhaus lag. Als sie den Spalt betrat, wurde es schlagartig dunkler und sie dachte sich, was für ein gutes Versteck das hier wäre, da es sogar dann schwierig wäre, hier jemanden zu erkennen, wenn man schon in dem Spalt drin war. Wieder rief sie den Namen ihres Bruders und diesmal reagierte er: „Pscht, ruf doch nicht so laut meinen Namen, sonst findet er mich noch.“ Johannes hatte sich zwischen zwei Körbe voll mit Metall gezwängt und war, wenn man nicht ganz genau hinsah, so gut wie unsichtbar. Die Körbe waren nämlich, wie Eva erschrocken feststellte, in einem Raum der Schmiede, der nach außen geöffnet war, um die heiße Luft nach außen zu lassen. Schnell ging sie zu ihrem Bruder, den es scheinbar nicht zu kümmern schien, dass er im Prinzip gerade im Haus eines Fremden Verstecken spielte. „Bist du verrückt geworden?“, fragte Eva ihren Bruder. „Du kannst doch nicht einfach in das Haus von jemand anderem gehen und dich da verstecken!“ Ihr Bruder blieb aber weiterhin ruhig und sagte wieder leise: „Pscht, das ist Verstecken. Außerdem ist das draußen. Ich bin ich doch gar nicht in einem Haus von einem anderen.“

„Das sehe ich aber anders.“, sagte eine dunkle Stimme und die beiden fuhren herum. Vor ihnen stand der Schmiedegeselle und schaute sie an. „Entschuldigung, wir wollten nicht in ihr Haus einbrachen“, stammelte Eva, „ah, ich meinte reingehen, wir sind ja nämlich gar keine Diebe, wenn sie das Denken oder so.“ Da lachte der Geselle polternd: „Ihr und Diebe? Nein, das denke ich nun wirklich nicht. Eure Eltern sind doch die Freunde vom Friedemann, nicht wahr? Friedemanns Freunde sind auch meine Freunde. Ihr müsst wissen, Friedemann ist mein Onkel. Ein feiner Kerl.“ Eva war erleichtert, doch dann fing ihr Bruder an zu reden: „Mein Papa ist auch Schmied“, sagte er. „Ich wette, mein Papa ist besser als du.“ Alarmiert blickte Eva zum Gesellen hoch und schaute, ob ihr Bruder ihn beleidigt hatte. Der Geselle aber lachte nur wieder und meinte: „Das will ich aber hoffen. Ich schmiede ja erst seit einem Winter. Aber es ist gut, dass ihr beide euch hierher verwirrt habt. Ich brauche nämlich noch Hilfe. Mein Meister hat mir und meinem Freund nämlich aufgetragen, noch zwei Sichelblätter fertigzustellen, aber der Faulpelz hat sich einfach verzogen. Wollt ihr mir einmal kurz helfen? Ich kriege das heute sonst nicht mehr fertig. Das würde meinen Meister gar nicht freuen.“ Eva wusste nicht genau, was sie sagen sollte, denn einerseits wollte sie nicht einfach so in das Haus eines Fremden reingehen, andererseits waren sie ja ohnehin schon im Haus des Schmiedes und jetzt wäre es unhöflich abzulehnen. Doch diese Entscheidung nahm ihr Johannes ab, indem er enthusiastisch aufsprang und begeistert in die Schmiede lief. „Oh ja, oh ja. Papa hat mir schon mal gezeigt, wie das geht.“, sagte er und griff nach einem Hammer. Diesen schwang er hin und her und ließ ihn auf den Amboss sausen, was allerdings sehr lustig aussah, da der Amboss fast so groß war wie Johannes selber. Eva und der Geselle folgten ihm und Eva schaute sich etwas genauer in der Schmiede um. Die Schmiede war abgedunkelt und das einzige Licht ging von der Glut im Kamin der Schmiede und der leicht offenstehenden Tür aus. Die anderen Fenster waren alle geschlossen. Die Glut glomm noch ganz matt dunkelrot, aber bald würde sie ausgehen. Neben dem Kamin standen einige Blasebälge aufrecht an die Wand gelehnt, die Eva beinahe bis zur Hüfte reichten. Auf dem Tisch neben dem Amboss lagen riesige Zangen und kleinere, fast schon feine Meißel. An der Wand hingen weitere Zangen und Hämmer und darunter lagen die Erzeugnisse der Schmiede. Neben einer filigran gearbeiteten Rose, einigen Löffeln und Messern lagen auch Helme, Kettenhemden und Schilde auf der Arbeitsfläche. Die Schilde waren aus Holz gefertigt und nur die am Rand des Schildes war eine Metallfläche entlanggeschlagen. Gerade als Eva die Rose in die Hand nehmen wollte, sagte der Geselle: „Fass das bitte nicht an. Das sind alles die Arbeiten meines Meisters und wenn dich die kaputtmache, bringt er mich um. Kommt ihr beiden kurz hier rüber?“ Er winkte den beiden zu und sie versammelten sich um den Kamin. „Um die Sichelblätter bearbeiten zu können, brauche ich wesentlich heißeres Feuer als dieses hier. Das Feuer muss orange, schon fast gelb sein. Wenn ihr mir helfen wollt, könnt ihr hier diese Blasebälge nehmen und in das Feuer Luft hineinpusten. Mein Meister sagt immer, dass Holz das Essen und Luft das Trinken des Feuers ist.“ Während er das sagte, holte er Holzscheite von unter dem Kamin hervor und legte sie behutsam ins Feuer. Nach kurzem Warten bedeutete er den beiden Kindern den Blasebalg zu betätigen und Eva und ihr Bruder legten sich ins Zeug. Sobald das Feuer heiß genug war, nahm der Geselle mit der Zange ein Stück Metall und legte es in die Glut. Eva und ihr Bruder kamen langsam ins Schwitzen und waren froh, als der Geselle das nun gelb glühende Stück Metall aus der Glut nahm und sie endlich aufhören konnten, den Blasebalg zu betätigen. Der Geselle legte das Stück auf den Amboss und bearbeitete es mit starken und schnellen Hammerschlägen. Zwischendurch legte er es noch einmal ins Feuer, doch dann tauchte er das Blatt in ein Wasserbecken, woraufhin das Wasser zu zischen und zu sprudeln begann. Das alles wiederholten sie noch ein zweites Mal und zum Schluss war Eva völlig erschöpft und auch Johannes sah aus, als könne er sich gleich erst mal wieder auf den Karren legen. Als sie mit dem zweiten Blatt fertig waren, bedankte sich der Schmied bei ihnen: „Vielen Dank, meine neuen Freunde, ihr habt mir wahrlich das Leben gerettet.“ Als Dank sollt ihr das bekommen. Er ging in eine kleine Kammer, und als er zurückkam, hielt er zwei Gegenstände in der Hand. Auch wenn sie nicht so schön waren wie die, die Eva gerade auf der Werkbank gesehen hatte, konnte man doch sehr gut erkennen, was es sein sollte: Zwei Rosen, die aus Metall gefertigt waren und etwa so groß waren, dass sie genau in ihre Hand passte. „Sie sind vielleicht nicht so schön wie die von meinem Meister, aber als ich die Rosen meines Meisters gesehen hatte, musste ich es einfach mal ausprobieren. Ich habe fünf Stück von ihnen gemacht und ihr sollt für eure Freundlichkeit jeder eine davon bekommen.“ Eva und Johannes waren sprachlos, doch beide konnten sie noch ein „Vielen Dank.“ herausbringen. Danach verabschiedeten sie sich von dem Gesellen und machten sich zu dem Treffpunkt mit ihren Eltern auf.

Stolz erzählten sie ihren Eltern, was sie geleistet hatten, und als Johannes ihrem Vater die Rose zeigte, war er erstaunt, wie gut die Rose gefertigt war dafür, dass der Geselle erst seit einem Winter schmiedete. Nach einer Weile stieß Friedemann auf sie und sie machten sich auf den Weg. Es war inzwischen später Abend und die Dämmerung setzte langsam ein. Es zog ein frischer Wind auf, weswegen Eva froh war, als sie in das Haus des Bauern kamen. Das Haus lag etwas außerhalb der Stadt und hinter dem Haus konnte man sehen, wie sich Getreidefelder und Wiesen erstreckten. Friedemanns Besitz war größer als der der Bauern in Kändelmar und auch sein Haus war stattlicher als die Bauernhäuser in ihrem Heimatdorf. Von außen war das Haus weiß mit Trägern aus Holz. Es ragte etwa sieben Meter in die Luft und war mit Stroh bedeckt. Als sie das Haus betraten, duftete es nach Braten und tatsächlich. Es gab zur Feier der Ankunft der lange verschollenen Freunde einen Schweinebraten. Mit großem Appetit verschlangen Eva und Johannes gleich drei Portionen und hörten dann mit nachlassendem Eifer dem Gespräch der Erwachsenen zu. Sie unterhielten sich über die alten und neuen Zeiten und erzählten einander Geschichten, was passiert war, seitdem sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Langsam, aber sicher schlummerte Eva in der wohligen Wärme ein und fing an, von den Hammerschlägen zu träumen und wie sie die Rose formten, die sie immer noch in der Hand hielt

Tag 2 - Das Schild

Du kannst jetzt auch selber ein Schild basteln. Schilder waren damals im Mittelalter für gewöhnlich aus Holz, weil Schilde aus purem Metall zu schwer gewesen wären. Die geschmiedeten Schilde waren meistens besonders kunstfertig und dienten häufig eher dem Prestige als Kampfhandlungen.