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Das Problem eines Kinder- und Jugendbeirats in Lübeck: Zwischen Fachlichkeit und Politik

Die Diskussion um den Kinder- und Jugendbeirat (KJB) in Lübeck hat einen kritischen Punkt erreicht. Es begann als Projekt zur Stärkung demokratischer Teilhabe junger Menschen und steht nun vor der grundlegenden Frage: Können und wollen wir uns als Stadtgesellschaft diesen Kinder- und Jugendbeirat leisten? Aus fachlicher Sicht der Kinder- und Jugendarbeit ist die aktuelle Entwicklung mehr als unbefriedigend.
Dabei kommt es auf Details und Differenzierung an: Zwei Dinge die in den LN-Artikeln und Pressemitteilungen der Fraktionen nicht vorkommen.
Das Vorhaben ist ehrenwert
Die Kommunalpolitiker:innen nehmen wahr, dass mehr getan werden muss für die Zukunft der Beteiligung an unserer Gesellschaft. Und sie setzen an bei den Kindern und Jugendlichen. Es gibt schon einiges in der Stadt, aber das ist nicht genug. Es muss mehr passieren. Es muss vor allem sichtbar werden. Denn die Politik will etwas bewegen und wirksam sein. Genau das, was auch Kinder und Jugendliche wollen. Das ist aber auch schon alles, wo zweifellos Einigkeit besteht.
Differenzierung ist wichtig
Das Wort „Politiker:in“ ist ein Überbegriff, genau wie „Kinder und Jugendliche“. Und genau wie man Politiker:innen nicht „in einen Topf schmeissen“ kann, kann man das auch nicht mit Jugendlichen tun. Wenn also in den Pressemitteilungen oder -artikeln Kindern und Jugendlichen etwas in den Mund gelegt wird, ist es schon deshalb eigentlich falsch.
Und das zeigt das Problem: Ein Kinder- und Jugendbeirat ist nur für eine relativ kleine Gruppe junger Menschen ein gutes Format. Die meisten anderen finden so etwas zwar nicht schlecht, würden aber nicht auf die Idee kommen, sich dafür stark zu machen oder sich gar zur Wahl stellen zu lassen. Das ist das Ergebnis zahlreicher Aktionen, bei denen Jugendliche danach gefragt wurden.
Vielfalt der Jugend braucht vielfältige Formen
Wir brauchen in unserer Stadt also vielfältige Formen der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Differenziert nach Alter, nach zeitlichen Ressourcen, nach Sprachvermögen und auch nach Lust und Laune und einiges mehr. Was aber unverzichtbar ist: Es muss sich an ihren Lebenswelten orientieren. Kinder und Jugendliche müssen es verstehen können und es muss für ihren Alltag eine Bedeutung haben. Das bedeutet für die meisten von Ihnen, dass es sich auf ihr Lebensumfeld beziehen muss. Die Fachleute der Jugendarbeit nennen das „sozialraumorientiert“.
Stuttgart als Vorbild
Wenn man also einen Kinder- und Jugendbeirat richtig gut machen will, dann muss man ihn sozialraumorientiert machen. So etwas gibt es schon Deutschland. In Stuttgart zum Beispiel, da gibt es in jedem Stadtteil so eine Runde. Und von Zeit zu Zeit kommen auch Vertreter:innen aus den Stadtteilrunden zu einem großen Treffen zusammen. In jedem Stadtteil gibt es jemanden, der sich um diese Treffen kümmert und die Jugendlichen bei Bedarf unterstützt. (Quelle: https://www.stuttgart.de/rathaus/jugendrat/stuttgarter-jugendrat/ )
Machbarkeit ist wichtig
Im Arbeitskreis wurde jedoch gemeinsam festgestellt, dass das in Lübeck nicht machbar ist. Denn solch ein System wäre sehr teuer bzw. würde viele personelle Ressourcen zusätzlich erfordern bzw. aus anderen Bereichen der Jugendarbeit abziehen. Es gibt auch noch viele Fragen, die ungeklärt sind, darunter auch noch einige „dicke Brocken“, zum Beispiel wie die Wahl abgewickelt werden soll.
Das ist nicht das Einzige, was in dem genannten Arbeitskreis besprochen wurde. Die Jugendsenatorin Monika Frank hat einen Bericht unterzeichnet, der genau beschreibt, was mindesten gemacht werden müsste, damit so ein Beirat Aussicht auf Erfolg hat. Und das Wort „Erfolg“ kann man auch interpretieren. Wenn man glaubt ein Kinder und Jugendbeirat schlägt ein wie eine Bombe und motiviert viele Kinder und Jugendliche aktiv zu werden und die Zukunft ihrer Stadt entschlossen in die eigenen Hände zu nehmen, dann liegt man nicht nur falsch, sondern hat auch noch nie danach geschaut, wie es in anderen Städten aussieht, die man mit Lübeck vergleichen kann. Richtig toll ist es nirgendwo. Überall kostet es sehr viel Arbeit und ist sehr mühsam. Es baut sich nicht über die Jahre etwas auf und wird dann immer besser oder einfacher. Das darf man nicht ignorieren.
Politik ist Abwägung
In dieser Stadt gibt es zahlreiche Bedürfnisse, dazu viele Wünsche und einige Träume. Es ist nicht für alles genug Geld da. Es ist nicht mal genug Geld dafür da, dass alle Kinder ein vielfältiges Mittagessen aus biologisch und regional erzeugten Lebensmitteln bekommen können. Auch andere Grundbedürfnisse können aus finanziellen Gründen nicht vollständig erfüllt werden. Das gilt nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für die Bedürfnisse anderer Gruppen der Bevölkerung. Die Politik hat nun die Aufgabe zu entscheiden, was finanziert und umgesetzt wird. Sie muss die verschiedenen Bedürfnisse wahrnehmen und abwägen, was für sie wichtig ist. Dazu müssen sie Mehrheiten in den Gremien finden und Absprachen treffen. Das ist gut so und ist ein wichtiges Element der Demokratie.
Und die Entscheidungen, die so entstehen, kann man gut finden oder kritisieren. Andere Parteien oder Gruppen würden andere Schwerpunkte setzen und haben das Recht zu kritisieren und zu bewerten.
Auch der Lübecker Jugendring hat konstruktiv mitgearbeitet im Arbeitskreis Kinder- und Jugendbeirat. Die Beauftragten haben kritische Punkte eingebracht und Kompromisse mitgetragen. Sie haben aus Sicht vieler Kinder und Jugendliche Bedürfnisse und Ansprüche formuliert und im Arbeitskreis auch die Gegenargumente vorgetragen und schriftlich vorgelegt.
Die Mehrheit entscheidet
Es gibt eine Mehrheit in der Lübecker Bürgerschaft aus Mitgliedern der CDU, der Grünen und der FDP, die fest entschlossen ist, einen Kinder- und Jugendbeirat auf der Basis des Ergebnisses des Arbeitskreises umzusetzen.
Es gibt jedoch viele wichtige Dinge in der Jugendarbeit (und anderswo), die genauso die Umsetzung verdient haben. Dazu gehört zum Beispiel die Verstärkung der Jugendarbeit im Stadtbezirk rund um den Brolingplatz. Ein lange geplantes und gut durchdachtes Vorhaben. Zahlreiche Anwohner:innen darunter viele Kinder und Jugendliche haben daran mitgewirkt. Es wäre ein großer Fortschritt für die Kinder und Jugendlichen in ihrer Lebenswelt dort. Es ist sozialraumorientiert und verspricht sehr wirksam zu werden.
Das Gleiche gilt für die Verstärkung der Jugendarbeit auf Marli. Auf dem Gelände der Jugendverkehrsschule soll es einen neuen Treffpunkt geben. Auch hier gab es intensive Planungen zahlreiche Aktionen und Beteiligungen und dieses Projekt ist sozialraumorientiert und wird viele Kinder und Jugendliche erreichen.
Es gibt noch viel mehr wichtige und wirksame Vorhaben der Jugendarbeit in Lübeck, die eine Verstärkung der Unterstützung verdient hätten. Die Mehrheit in der Bürgerschaft hat sich für einen mit zahlreichen Fragezeichen versehenen Kinder- und Jugendbeirat entschieden.
Die Mitglieder und Fachleute im Jugendhilfeausschuss jedoch haben dieses Vorhaben mit Mehrheit abgelehnt. Sie favorisieren, die anderen o.g. Projekte, und lehnen es ab, die Umsetzung einzuschränken und zu verschieben.
Später bedenkenswert
Nun kann man auch noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion einbringen, bei dem es um politische Strategien geht, um Bündnisse von Parteien und Fraktionen und um die Wahl von Senator:innen und Bürgermeistern. Auch das sind Dinge, die dazu dienen im Auftrag von Wähler:innen wirksam zu sein bzw. zu werden, aber sie verdienen eine eigene Betrachtung zu gegebener Zeit.
Auf den Punkt gebracht
Nach Abwägung aller Argumente: Für einen Kinder- und Jugendbeirat , wie er unter den derzeitigen Bedingungen in Lübeck machbar wäre, oder für die Verstärkung der Jugendarbeit in St. Lorenz-Nord oder auf Marli. Der Lübecker Jugendring entscheidet sich für die sozialraumorientierten Projekte.